Zwischen Himmel und Zukunft

Himmlisch Porsche läutet mit dem neuen 911 Cabriolet den Sommer stilsicher und sportlich ein. © Porsche

Zwischen Himmel und Zukunft

Der neue Porsche 911 ist stärker, schneller, digitaler und verführt auch wieder als Cabrio. Nur stromern kann er noch nicht. Zum Glück, sagen die einen – und die anderen steigen eben um.

Himmlisch Porsche läutet mit dem neuen 911 Cabriolet den Sommer stilsicher und sportlich ein. © Porsche

Kids begehren ihn, noch bevor sie laufen können, Frauen und Männer verfallen ihm gleichermassen, unter den Besitzern finden sich genauso Hollywoodgrössen wie normale Arbeiter, die ihn sich vom Mund absparen. Und während die einen damit an den Wochenenden über die Rennstrecke dieser Welt donnern, schätzen ihn andere zum Gipfeliholen. Woher die Faszination? Ein Erklärungsversuch liesse uns bei Adam und Eva beginnen, also begnügen wir uns mit der Aussage einer berühmten Werbung aus den 70er-Jahren: «Keiner braucht ihn. Jeder möcht' ihn.» Der Porsche 911, so viel steht fest, ist kein gewöhnlicher Sportwagen. Er ist ein Mythos, eine Religion – um nicht zu sagen eine Weltreligion: Seit seinem Debüt 1963 wurden rund 1050000 Exemplare abgesetzt.

Dabei spaltet sich die Gefolgschaft in zwei Lager: Für die Konservativen endete die Zeitrechnung 1997 mit der Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung. Amen. Aber dann gibt es noch die anderen, quasi Reformierten. Auch ihnen sind die ikonische Form und der Boxermotor im Heck heilig, doch wissen sie, dass eine Legende mit der Zeit gehen muss. Für sie ist die neue und achte Generation mit dem internen Baucode 992 daher eine Offenbarung: Die zunächst lancierten Carrera-S-Modelle sind mit 450 statt 420 PS noch stärker geworden, noch schneller mit einem 0-auf-100-Sprintwert von 3,6 Sekunden beim allradangetriebenen 4S, noch bulliger dank verbreiterter Karosserie und durchgehendem Heckleuchtenband und ausserdem noch digitaler, ohne aber klassische Details wie den analogen Drehzahlmesser auf dem Altar des Fortschritts zu opfern.

Und nicht nur das weiterentwickelte Design und der erstarkte 6-Zylinder sorgen für frischen Wind: Pünktlich zum Frühlingsbeginn lassen die Zuffenhausener den Carrera S und Carrera 4S als Cabrio wiederauferstehen – wie bis anhin mit Stoffverdeck und fester Glasscheibe, aber überarbeiteter Verdeck-Struktur gegen das Aufblähen des Dachs bei hohen Tempi, einer neuen Hydraulik, um die Öffnungszeit auf 12 Sekunden zu senken sowie einem elektrisch ausfahrenden Windschott.
Elektrisch Der Porsche Taycan wird rein elektrisch rund 500 Kilometer Reichweite haben. Und über 600 PS.
Elektrisch Der Porsche Taycan wird rein elektrisch rund 500 Kilometer Reichweite haben. Und über 600 PS.
Ob Coupé (ab 156700 Franken) oder Cabriolet (ab 175600 Franken) bleibt nebst einer Geld- eine Glaubensfrage, machen die Verstärkungsmassnahmen die offene Version doch ein bisschen schwerer und langsamer. Dass der 0-auf-100-Sprint 0,2 Sekunden länger dauert und der Vortrieb bei 306 statt 308 km/h endet, fällt allerdings in den Bereich der Esoterik. Deutlicher zu vernehmen ist der Wind in den Haaren, der ungefilterte Sound des Boxers in den Ohren, die Nähe zum Himmel. Und falls die Sintflut kommt? Das Verdeck schliesst so schnell, wie es öffnet, und wie beim Coupé ist serienmässig der neue «Wet Mode» gegen Aquaplaning mit an Bord.

Auch wenn die traditionellen Saugmotoren schon vor drei Jahren durch effizientere Turbomotoren ersetzt und deren Wirkungsgrad weiter verbessert wurde, könnte der 911 mit gut neun Litern Normverbrauch heute als Umweltsünder gelten. Zur Absolution steht darum eine moderne Version des Ablasses zur Verfügung: Ein Emissionskalkulator namens «Porsche Impact», der Reumütigen erlaubt, ihren CO2-Fussabdruck mit finanziellen Beiträgen an zertifizierte Klimaprojekte zu kompensieren. Wem das zu katholisch anmutet, bleibt sonst nur die Abstinenz: Denn einen teilelektrischen Antrieb wie beim Grand Turismo Panamera oder dem Sport- SUV Cayenne findet sich in der 911-Palette nicht. Noch nicht.

Doch schon bald gibt es für Porschefans eine spannende Alternative für das 911-Feeling ohne Reue: Ende dieses Jahres debütiert der rein elektrische Porsche Taycan mit über 600 PS, unter 3,5 Sekunden beim 0-auf-100-Sprint und 0,0 Gramm lokalem CO2-Ausstoss. Die Sitzposition soll weitgehend der des Elfers entsprechen und der tiefe Schwerpunkt durch die im Unterboden platzierten Akkus ähnlichen Fahrspass bieten. Gut 500 Kilometer Reichweite liegen drin; bedeutender noch: Dank der neuen 800-Volt-Technik verringert sich die Ladezeit an der entsprechenden Zapfsäule auf rund vier Minuten je 100 Kilometer.

Wie viele 911-Kunden sich damit zur E-Mobilität bekehren lassen, bleibt indes abzuwarten. Mindestens so spannend ist aber, wie die Tesla-Jünger auf den Taycan reagieren. Auch unter ihnen dürfte es solche geben, die damals im Kinderwagen von einem Porsche geträumt haben.

Nina Treml
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