Es ist kompliziert. Aber sind nicht alle Liebesgeschichten ein wenig kompliziert? Früher fuhren hauptsächlich Landwirte, Förster und Jäger, nennen wir sie stellvertretend Müller-Ueli, einen Geländewagen. Weil sie es mussten. «Ich hätt ja lieber eine normale Limousine », konnte sich der Müller-Ueli dann etwa am Stammtisch rechtfertigen, «aber ich brauch den Jeep halt für die Arbeit.» Dass er eigentlich einen Mitsubishi Pajero fuhr, sei hier nur am Rande erwähnt. Früher war jeder Geländewagen ein Jeep.
Heute wollen wir indes auch als E-Commerce-Manager, Biochemikerin und schlichtes Mami einen Geländewagen fahren. Warum? Weil wir es können. Und – obwohl der eine oder die andere ja lieber einen Sportwagen hätte («. . . aber ich brauch halt den Platz») – lieben. Wegen des bequemen Einstiegs. Der guten Übersicht. Dem subjektiven Gefühl von mehr Sicherheit. Und weil heute nichts so sehr aussagt, dass wir langweilig und altmodisch sind, als wenn wir eine normale Limousine fahren. Auf deren Komfort wollen wir aber nicht verzichten: Selbsttragende Karosserie statt Leiterrahmen, Einzelradaufhängung statt Starrachse, kein Untersetzungsgetriebe, keine mechanischen Sperren, Allradantrieb nicht mehr zwingend – der moderne Geländewagen ist heute eine Limousine, die einen Geländewagen zitiert. Selbst Jeep baut mittlerweile zu viele Alltagsmodelle, um noch als Gattungsbegriff verwendet zu werden.
SUV nennen wir diese Autos. Die Buchstaben stehen für Sport Utility Vehicle, das weiss heute jeder (ausser vielleicht der Müller-Ueli). Doch heisst es eigentlich der oder das SUV? Und spricht man das «Esju-wie» oder «Suuf» aus? Darüber könnten wir stundenlang streiten. Nicht unkomplizierter wird es, wenn bei BMW von SAV (Sport Activity Vehicle) und SAC (Sport Activity Coupé) die Rede ist, Lamborghini das Akronym SSUV (Super Sport Utility Vehicle) in die Runde wirft, ein SUV von Rolls-Royce gefälligst kein SUV, sondern ein «High-bodied Car» ist, und im Kompaktsegment auch noch Begriffe wie UAV (Urban Activity Vehicle), Softro-ader und Crossover auftauchen. Um die Verwirrung perfekt zu machen: Über die Ursprünge wird auch gerne gestritten.
SUV nennen wir diese Autos. Die Buchstaben stehen für Sport Utility Vehicle, das weiss heute jeder (ausser vielleicht der Müller-Ueli). Doch heisst es eigentlich der oder das SUV? Und spricht man das «Esju-wie» oder «Suuf» aus? Darüber könnten wir stundenlang streiten. Nicht unkomplizierter wird es, wenn bei BMW von SAV (Sport Activity Vehicle) und SAC (Sport Activity Coupé) die Rede ist, Lamborghini das Akronym SSUV (Super Sport Utility Vehicle) in die Runde wirft, ein SUV von Rolls-Royce gefälligst kein SUV, sondern ein «High-bodied Car» ist, und im Kompaktsegment auch noch Begriffe wie UAV (Urban Activity Vehicle), Softro-ader und Crossover auftauchen. Um die Verwirrung perfekt zu machen: Über die Ursprünge wird auch gerne gestritten.
Die einen sehen sie in den USA. Den zu militärischen Zwecken entwickelten Willys MB gab es schon früh nach dem Zweiten Weltkrieg in zivilen Versionen – als Station Wagon oder als Jeepster mit Hinterradantrieb –, und der Wagoneer bot ab 1963 sogar Automatikgetriebe, Servolenkung und auf Wunsch eine vordere Einzelradaufhängung an. Der Markterfolg blieb allerdings so bescheiden, dass andere die Anfänge in Grossbritannien sehen. Die Idee für einen «Road Rover» gab es schon in den 1950ern; 1970 wurde sie mit dem Range Rover realisiert und die «Upcoming Class» im neoliberalen England war davon sehr angetan: Noch nie hatte ein Geländewagen so viel Komfort, Leistung und Prestige geboten. Kein Wunder, sprechen die Engländer ganz selbstbewusst vom «Urvater aller Luxus- SUV». Oder haben vielleicht doch die Schweizer den oder das SUV erfunden, als der kleine Basler Autoproduzent Monteverdi den ursprünglich nur 3-türigen Range Rover unter anderem für das britische Königshaus zum luxuriösen 5-Türer umbaute?
Klarer zu benennen ist, wer die Nische zum Mainstream machte: die Japaner. Mit dem Toyota RAV4 stand ab 1994 ein bulliger kleiner Allradler mit hoher Sitzposition im Angebot, der die übrige Offroad- aber durch PKW-Technik ersetzte – und damit den Weg für den ebenso kompromissbereiten Honda CR-V, aber auch stattliche Nobelgefährte wie die Mercedes-Benz M-Klasse, den BMW X5 und Porsche Cayenne ebnete. Der Funke sprang zuerst im Billig-Benzin-Land USA, wo sich der Begriff SUV denn auch etablierte, doch gerade als die Modelle in den 2000er-Jahren kompakter und wirtschaftlicher wurden, fingen auch Europa und der Rest der Welt Feuer. Heute machen den Trend fast alle Hersteller mit – von Hyundai und Ford über Volvo und Peugeot bis hin zu Bentley und Maserati. Warum? Weil sie fast nicht anders können. Seit 2010 hat sich die SUV-Produktion weltweit verdreifacht; inzwischen gehört jeder dritte Neuwagen der Kategorie an (wobei der Anteil in der Schweiz über dem Durchschnitt liegt), und die Nachfrage reisst nicht ab. Der Volkswagen-Konzern etwa rechnet damit, dass ab 2025 jeder zweite VW ein SUV ist, während der Bund schon über SUV-freundlichere, sprich breitere Strassen nachdenkt.
Klarer zu benennen ist, wer die Nische zum Mainstream machte: die Japaner. Mit dem Toyota RAV4 stand ab 1994 ein bulliger kleiner Allradler mit hoher Sitzposition im Angebot, der die übrige Offroad- aber durch PKW-Technik ersetzte – und damit den Weg für den ebenso kompromissbereiten Honda CR-V, aber auch stattliche Nobelgefährte wie die Mercedes-Benz M-Klasse, den BMW X5 und Porsche Cayenne ebnete. Der Funke sprang zuerst im Billig-Benzin-Land USA, wo sich der Begriff SUV denn auch etablierte, doch gerade als die Modelle in den 2000er-Jahren kompakter und wirtschaftlicher wurden, fingen auch Europa und der Rest der Welt Feuer. Heute machen den Trend fast alle Hersteller mit – von Hyundai und Ford über Volvo und Peugeot bis hin zu Bentley und Maserati. Warum? Weil sie fast nicht anders können. Seit 2010 hat sich die SUV-Produktion weltweit verdreifacht; inzwischen gehört jeder dritte Neuwagen der Kategorie an (wobei der Anteil in der Schweiz über dem Durchschnitt liegt), und die Nachfrage reisst nicht ab. Der Volkswagen-Konzern etwa rechnet damit, dass ab 2025 jeder zweite VW ein SUV ist, während der Bund schon über SUV-freundlichere, sprich breitere Strassen nachdenkt.
Hoch oben wollen wir sitzen, aber . . .
Ewige Liebe also. Grenzenlos, zumal wir sie alle lieben: die grossen und in zunehmendem Masse die kleinen! Wir lieben sie in jeder Couleur! In jeder Leistungsklasse! In jeder erdenklichen Nische, also gerne auch als SUV-Cabrio! Wäre dies ein Hollywood-Epos, so erschiene jetzt untermalt von einem Hans-Zimmer-Song der «Happy End»-Schriftzug, und wir würden ein paar Tränen vergiessen. Aber wie gesagt, es ist kompliziert, und drum geht es hier noch weiter.
Denn als die Zweck- zur Liebesbeziehung wurde, begann uns die Romantik nämlich in Widersprüche zu verstricken. Wir wollen gleichzeitig elegante und verwegene Autos. Coupé-artig soll das Design sein, was allerdings den Raumvorteil zunichtemacht. Hoch oben wollen wir sitzen, auf die Fahrdynamik eines Sportwagens allerdings nicht verzichten – wenns sein muss mithilfe eines 48-Volt-Bordnetzes, das eine elektromechanische Wankstabilisierung speist sowie mitlenkende Hinterräder. Auf Asphalt fahren wir, befreien die Hersteller aber nicht von der Pflicht, herausragende Geländefähigkeiten unter Beweis zu stellen, denn wie hiess es in einer Kampagne für den VW Tiguan einst so treffend? «Schön zu wissen, man könnte.» Was wiederum den Allradantrieb angeht: Seit Nissan 2007 den Qashqai mit Frontantrieb lancierte, wissen wir, dass es bei den SUV auch ohne geht. Theoretisch, jedenfalls. Der 4×4-Anteil in der Schweiz liegt bei fast 50 Prozent, ach und die Motorleistung beträgt bei uns auch überdurchschnittlich viel. Und drum: Schatz, wir müssen reden.
Denn als die Zweck- zur Liebesbeziehung wurde, begann uns die Romantik nämlich in Widersprüche zu verstricken. Wir wollen gleichzeitig elegante und verwegene Autos. Coupé-artig soll das Design sein, was allerdings den Raumvorteil zunichtemacht. Hoch oben wollen wir sitzen, auf die Fahrdynamik eines Sportwagens allerdings nicht verzichten – wenns sein muss mithilfe eines 48-Volt-Bordnetzes, das eine elektromechanische Wankstabilisierung speist sowie mitlenkende Hinterräder. Auf Asphalt fahren wir, befreien die Hersteller aber nicht von der Pflicht, herausragende Geländefähigkeiten unter Beweis zu stellen, denn wie hiess es in einer Kampagne für den VW Tiguan einst so treffend? «Schön zu wissen, man könnte.» Was wiederum den Allradantrieb angeht: Seit Nissan 2007 den Qashqai mit Frontantrieb lancierte, wissen wir, dass es bei den SUV auch ohne geht. Theoretisch, jedenfalls. Der 4×4-Anteil in der Schweiz liegt bei fast 50 Prozent, ach und die Motorleistung beträgt bei uns auch überdurchschnittlich viel. Und drum: Schatz, wir müssen reden.
Mögen die SUV im Laufe der Jahre leichter und sparsamer geworden sein und sich nicht mehr pauschal als ökofeindliche Panzer verschreien lassen: Etwas schwerer und durstiger als ihre Normale-Limousinen-Pendants sind sie allemal und stellen die Autobauer damit vor grosse Herausforderungen, die zunehmend strengeren Abgasziele zu erreichen. Zumal gleichzeitig auch noch die im Vergleich zu Benzinern CO2-günstigeren Diesel aus der Mode geraten. Ein Glück, lieben die Hersteller die SUV aber genauso wie wir und sind gewillt, die ökologischen Nachteile mit hohem konstruktivem Aufwand abzufedern – Stichwort Leichtbau und vor allem auch Elektrifizierung. Insofern ist es vielleicht ausgerechnet jene Fahrzeugkategorie, die vor einigen Jahren als die umweltfeindlichste galt, die den technologischen Fortschritt am stärksten vorantreibt. Weil sie es muss.
Was der Müller-Ueli wohl dazu sagt? Der genaue Wortlaut liesse sich hier nicht unzensiert abdrucken. Aber als Pensionierter fährt er inzwischen ohnehin eine ganz normale Limousine. Gefühlt als Letzter.
Nina Treml
Was der Müller-Ueli wohl dazu sagt? Der genaue Wortlaut liesse sich hier nicht unzensiert abdrucken. Aber als Pensionierter fährt er inzwischen ohnehin eine ganz normale Limousine. Gefühlt als Letzter.
Nina Treml